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if you got it, give it – PROTOKOLL tAG 1


Öffentliche Diskussionen und Beratungen zum Leitungswechsel, 21.-23.10.2021

Foto: Luzie Marquardt

TAG 1, Donnerstag, 21.10.

Never change a running system? Warum Einmischen wichtig ist.

Moderation: Anna Lampert (Forum der Kulturen)

18:00 Wir gehen bald und stellen Fragen zu Übergängen und Übergaben am Theater: Was bleibt? Was soll anders werden? – Einführung durch die Arbeitsgruppe Rampe23

Einführung mit Vorstellung der Sprechenden*, sehr gut besucht, circa 60 Gäste

Begrüßung und Einführung von Anna Bakinovskaia, Paula Kohlmann und Kathrin Stärk dazu (AG Rampe23), wie es zur Idee kam, den Ausschreibungsprozess um neue Leitung im Sommer 2023 als Modellprojekt anzusehen, darauf folgte Auseinandersetzung mit Machtkritik, Diversität, rassismuskritischem Denken.

Hinweis auf Einbeziehung des Rampe-Teams, als auch Träger und Förderer. Gemeinsam wird Ausschreibungs- und Vergabe-Prozess überdacht und auch öffentlich gemacht. Ziel ist es, alle Beteiligten mitzunehmen und gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. Hinweis zu Barrieren, die immer noch vorhanden sind und die nicht für die Veranstaltung abgeschafft werden konnten.

Moderatorin Anna Lampert erläutert Ablauf des Abends und weist auf weitere zwei Tage hin. Außerdem Hinweis und Bitte auf diskriminierungsfreie Sprache

 

Input: Diversity und Teilhabe

Input und Gespräch von und mit Leyla Ercan (360 Grad Agentin) und Handan Kaymak (Prozessbegleitung)

Kurze Umfrage / Aktivierung des Publikums durch Frage-Spiel:

Ich nutze die Angebote der Rampe regelmäßig: Nicht die Mehrheit

Ich senke den Altersdurchschnitt: sehr wenige

Im Theater kann ich mir viele Stücke anschauen, die mich repräsentieren: eher Mehrheit

Ich bin selbst in der Kultur tätig: Mehrheit

Uniabschluss: Mehrheit

Verdiene gut: kleine Gruppe

Meine Eltern mussten viel arbeiten: nicht so viele

Barrierefreiheit ist gegeben: Mehrheit

Türsteher* lassen mich rein: viele

Weiß: fast alle

BIPoC: 3

Handan Kaymak berichtet aus ihrer Perspektive der Prozessbegleiterin für Diversität und Teilhabe. Geht ins Gespräch mit Leyla Ercan (online dazugeschaltet).

Leyla Ercan berichtet aus ihrer Erfahrung einer 360 Grad Agentin am Staatstheater Hannover. Seit der neuen Intendanz unter Sonja Anders gibt es verstärkes Interesse an Diversitäts-Themen. Viele Kulturschaffende* BIPoC sind mehr auf dem Schirm von vielen privaten Menschen oder Unternehmen – es findet Austausch statt. Auch Belegschaft im Theater hat verstärktes Bewusstsein für solche Themen, fordern Vertiefung und Training.

Handan Kaymak fragt nach Ausschreibungsprozessen, wie können solche auf mehr Teilhabe ausgerichtet werden?

Leyla Ercan: Sprache ist sehr wichtig, harmlose Wörter können schwere Bilder vermitteln. Neue Leitung achtet sehr auf Formulierung der Ausschreibung, die Aufmerksamkeit ist stark auf Diskriminierung ausgerichtet. Politische Selbstbezeichnungen statt „Migrationshintergrund“, zu „internes“ Wording vermeiden. Ist sehr schwierig, da unsere Gesellschaft manche Kompetenzen und Wissensbestände nicht sichtbar werden lässt. Leyla Ercan schaut auf unterschiedliche Erfahrungen anstatt auf Zertifikate / Zeugnisse.

Handan Kaymak spricht über neue Begrifflichkeiten, die noch nicht vorhanden sind. Welche Formate kann es geben, die keine klassische Ausschreibung sind?

Handan Kaymak: Warum sollen wir eigentlich diversitätsgerecht handeln? Gerechtigkeitslogik oder Verwertungslogik (wirtschaftlich)? Man muss genau schauen, warum man es machen möchte, um das zu beantworten.

Murmelrunde; Austausch mit drei Fragen: Name, Grund, warum man hier ist und warum man etwas ändern sollte, warum ist das wichtig?

Reger Austausch im Saal. Ergebnisse: siehe „Galerie“ mit Karten: Zukunftsfähigkeit von Institutionen, Verbundenheit, Skepsis, Kultureinrichtungen sollten Vorreiter* sein, unterrepräsentierte Gruppen sollten repräsentiert sein, Glaubwürdigkeit gegenüb. Internationalen Partner*innen…

Input von Leyla Ercan Intendanzfindung: es gibt in ganz Deutschland sehr spezifisches künstlerisches Personal, welches traditionell aus einem eng begrenzten Milieu kommen. Diese bringen sehr viel Kapital mit, wurden schon früh kulturell etc. sozialisiert. Dieses Personal gestaltet ein sehr spezifisches Programm, sehr bildungsbürgerlich durch einen elit. Kunst und Kulturbereich. Zieht bestimmtes Publikum an, diese ziehen weiteres an. Teufelskreis des Theaters.         Das Publikum ist wahnsinnig homogen und hat sehr spezifischen Habitus, 5-7% der Ges. sind dieses Publikum. Dort hat sich nichts verändert, seit Jahrzehnten.  Personal hat damit viel zu tun: Who you hire is who you become.

In den höchsten Posten muss sich etwas ändern, damit sich Intendanz-zentrierte Einrichtungen weiterentwickeln können. Intendanzen müssen aufgrund ihrer Entscheidungsgewalt gut ausgewählt werden. Es wird immer mehr gefordert, das können wenige Menschen erfüllen: Management, künstlerisches Denken, Personalführung, Kulturpolitik, P&Ö… Infrage stellen: welche Kompetenzen werden erwartet und welche sind tatsächlich grundlegend. Stärker abfragen, welche davon vorhanden sind.

Stellschrauben: Leitungsmodelle überdenken: Teamleitung, Intendanz-untypische Lebensläufe und Karrieren, Diversitätskompetenzen sind Zukunftskompetenzen! Weg von symbolpol. Ansätzen, wirtschaftl. Motivierten Ansätzen, deswegen: Strukturwissen und Diversitäts-Kompetenzen abfragen.

Andenken für weiteren Theater Rampe Prozess: Kriterien Checkliste entwerfen und sie dann auf Kandidaten* auswerten, Modell für frühes on-Boarding, diskriminierungsbewusste Gestaltung des Prozesses.

FRAGEN, ANMERKUNGEN, ANREGUNGEN

Gast: Wo veröffentlicht man solche Ausschreibungen? Damit sie mehr Menschen erreichen, wenn man keine großen Verteiler hat.

Handan Kaymak: Nur dort verteilen, wo es Interesse und Schutzraum für diversere Intendanzen und Mitarbeitenden etc. gibt. Nicht nur vorn herum veröffentlichen, sondern sich die Zeit nehmen, Leute einzuführen und Codes so formulieren, dass sie BIPoC etc. ansprechen – dann werden mehr darauf anspringen, weil sie den unterschwelligen Ton hören.

Leyla Ercan: Auch Quereinsteiger* einladen und dann das Commitment haben, dabei zu bleiben und dieses Interesse zu halten: Entscheidungsträger müssen festlegen, ob sie viel Erfahrung und eine kurze Übergangszeit möchten, oder auch diversere Menschen aufnehmen und ihnen den Raum geben, zu lernen.

Gast: Die Institutionen, die sich in diese Prozesse begeben, sind oft sehr weiß, das kann für Bipoc hart sein. Wie kann es gelingen, dass diese nicht zu „Token“ werden?

Handan Kaymak: Bipoc-Person hat oft „zusätzlichen Job“ aufgrund ihrer Erfahrung mit Marginalisierung. Radikaler Entscheidungsschritt muss sein: wir schaffen erst einen Schutzraum, dann holen wir jemanden. Es gibt keine strengen Konzepte dazu, sondern etwas muss im Voraus erarbeitet werden, um zu funktionieren. Man übernimmt eine Verantwortung, einen Arbeitsplatz ohne Diskriminierung zu bieten.

Leyla Ercan: Quoten helfen dabei, Minderheiten nicht auf ihre Minderheitsmerkmale zu reduzieren, sondern sie als kompetente Mitarbeiter* zu sehen. Unterrepräsentanz vermeiden.

Gast: Frage: Was wünscht sich das Team, das zurückbleibt?

Paula Kohlmann: Wer bleibt, ist noch nicht klar. Unsere Verträge laufen aus. Neue Person entscheidet darüber, individuelle Antworten.

Kathrin Stärk: Das gesamte Team hat sich für diesen Prozess entscheiden, alle im Team sehen das als eine notwendige Sache.

Paula Kohlmann: Handan bitte BIPoC und Token als Begrifflichkeiten erklären.

Handan Kaymak erklärt: BIPOC=Black, Indigenus, People of Colour; Token=Person, die eine Alibifunktion erfüllt

Anna Lapert (Moderation): Allgemein nochmal: Eigentlich sollte jede Stelle mit Sorgfalt bearbeitet werden. Lohnt sich: Im Endeffekt ist das weniger Abriet.

Gast: Wie kann Teilhabe an Institutionen langfristig funktionieren?

Leyla Ercan: Diversität muss als Grundausstattung in Institutionen integriert werden. Kulturpolitik muss mitziehen. Es ist ein Skandal, dass Steuergelder von allen Menschen in DE an so eine kleine Bevölkerungsgruppe gehen, also Subventionierung von Kultureliten. Keine Einrichtung ist zukunftsorientiert ohne Diversitätsgedanken.

P A U S E

20:00 Neue Ideen für gerechte Strukturen in Institutionen – Einblicke aus der Praxis geben Saskia Mommertz (Junges Ensemble Netzwerk) und die Arbeitsgruppe Bühnen- und Kostümbild (Akademie der Bildenden Künste Stuttgart) 

INPUT Junges Ensemble Netzwerk

Junges Ensemble Netzwerk: selbstorganisiertes Netzwerk der deutschsprachigen Studierenden Darstellender Kunst. Teil des Ensemble Netzwerkes; setzt sich für Studierende in allen mögl. Bereichen mit Theater ein, alle die Lust haben, kommen rein und können Ideen umsetzen. Selbst neue Projekte starten, ohne viel vom System zu kennen. 4 Großprojekte; Sorgentelefon, KIBA (Bewerbung-Almanach; Gespräche mit Personen in Leitungspositionen, was wünschen sie sich von einer Bewerbung), Survival Guide (Infos zu Plattformen, Festivals, Ansprechpartner*innen…. Und Konferenz der Theaterstudierenden (Wissenstransfer).

Warum ist das wichtig? Schon früh anfangen Veränderungen zu schaffen und mehr Wissen über wichtiges Berufsleben zu vermitteln. Grundlagen für gute Zusammenarbeit und Bewusstsein über gerechte Arbeitsstrukturen meist nicht im Studium gegeben. Alles ehrenamtlich, teilweise Bezahlung für besondere Aktivitäten, aber ansonsten alles ehrenamtlich.

Anna Lampert, Moderation: Es gibt meistens nur ehrenamtlich Platz dafür, das muss sich kulturpolitisch ändern.

Hinweis Gast: Dozierende haben keine pädagogische Weiterbildung.

 

INPUT

Arbeitsgruppe Bühnen- und Kostümbild (Akademie der Bildenden Künste Stuttgart) 

Sofia Falsone, Nele Schiller und Miriam Brunnert werfen kritischen Blick auf Akademiestrukturen:

Engagieren sich für Wandel im Studiengang. Missstände: starke Hierarchie, Machtstrukturen, sehr wenig verbindliche Richtlinien, dadurch krasse Machtpositionen, die auch sehr stark ausgenutzt werden. Mit Zeitdruck etc .verbleibt sehr wenig Zeit für das künstlerische Schaffen, persönliche Ebene mit den Lehrenden führt zu guten oder schlechten Noten, führt zu Druck und Angst. Alles mit dem Argument, dass man sie auf das Staatliche Theater vorbereiten möchte. Forderungen nach weniger Hierarchie, mehr Freiraum, Diversität, mehr konstruktive Kritik, allgemeine Transparenz über Notenvergabe etc., Zukunftsorientiertes Theater… Initiative dadurch entstanden.

Beharrliches Nachfragen, Verbündete gesucht, Vertreter* der Klasse an andere Stellen geschickt. Sichtbarkeit war notwendig, immer zusammen mit Lösungsvorschlägen Kritik anbringen. Lösungen wurden teils schon gefunden, verbindliche Dokumente etc., wurden erstellt und dämmen so die Hierarchie ein, baut auf mehr Konstruktivität und Bewusstsein auf, man kann Dinge ändern. Es braucht viel Zeit und Kraft, aber wenn man seine Ziele klar vor Augen hat, ist es möglich, Veränderung zu ermöglichen.

Anna Lampert (Moderation): An wen gehen die Forderungen?

Gruppe: Als erstes an die Lehrenden, dann ans Rektorat, da es bei den Profs nicht geklappt hat.

Paula Kohlmann: Wo holt ihr euer Wissen her, eure Ideen, eure Arbeitsmethodik?

Gruppe: Erstmal sehen, was Probleme sind, was funktioniert aktuell nicht, dann kamen die Ideen für Veränderung von ganz alleine, erst einmal etwas rumspinnen, dann: wie kann man das umsetzen? Abbruchquote früher von 50%.

Gast: Überlegt ihr jetzt schon Strategien, wie ihr mit einer neuen Ausschreibung für die Professuren umgeht?

Gruppe: Erst in 5/6 Jahren gehen die beiden in Rente, vom Rektorat gibt es aber ein Wille zum Gespräch. Bei neuer Werkstattbesetzung wurde Vertreterin hingeschickt mit gesammelten Inputs der Studierenden.

Handan Kaymak: Wille nach gerechterem Umgang, Machtfrage: was haben die Gerechtigkeitsthemen mit dem direkten Umgang untereinander zu tun? Das geht Hand in Hand.

Frage Gast: Bei der Ausbildung von Profs gibt es kein Kurrikulum. Ist das nicht verantwortungslos vom Ministerium, so etwas zuzulassen?

Anna Lampert (Moderation): Weist auf Förderprogramme des Ministeriums hin: Pop Akademie und Film Akademie Ludwigsburg sind im Öffnungsprozess, auch Kunst Akademien können sich bewerben. Bald werden Gelder ausgeschrieben bei einer neuen Stelle (Kompetenz BaWü) in Stuttgart, dort kann man sich bewerben.

E N D E um circa 21:10 im Anschluss Ausklang an der Bar mit Schallplattenunterhaltung von DJ Kristina Arlekinova


Protokoll zum Download: 1.TAG_if you got it, give it