Mund-Stück
Performance von Ant Hampton und Rita Pauls
Der britische Performancekünstler Ant Hampton und die argentinische Schauspielerin und Autorin Rita Pauls reisen mit dem Zug, mit dem Bus und zu Fuß zur Mitte Deutschlands (genau zu der Stelle, wo der Pin auf Google Maps gelandet ist) und trampen von dort aus eine Woche lang kreuz und quer durch das Land. Mit dem wenigen Deutsch, das sie können, stellen sie den Menschen, die sie mitnehmen, eine Frage: „Was, denken Sie, sollte einmal gesagt werden?“ Sie erklären ihnen, dass sie die Antworten aufnehmen, um sie später auswendig zu lernen und sich auf diese Weise mit der Sprache vertraut zu machen. Die Menschen, denen sie in Deutschland begegnen, fahren, denken und sprechen gleichzeitig, und es fällt ihnen oft schwer, die richtigen Worte zu finden, um ihren Gedanken und Überzeugungen Ausdruck zu verleihen.
In MUND-STÜCK tauchen die Worte und Stimmen wieder auf, synchron gesprochen von Ant und Rita, mit allen Denk- und Atempausen, Momenten des Suchens und Zögerns. Sie sprechen gleichzeitig und versuchen dabei, ihre körperlichen Reaktionen auf diesen ungewohnten Fluss von Lauten, Ansichten und stimmlicher Akrobatik unter Kontrolle zu halten (und scheitern daran). Und sie benutzen ihre gelernten Worte, um darauf Antworten zu formulieren.
Beide KünstlerInnen haben eine fortwährende Beziehung zu Deutschland. Rita hat durch ihre Urgroßeltern, die in den 30er-Jahren vor dem Naziregime aus Berlin nach Argentinien flohen, einen deutschen Pass. Ant lebt mit einer deutschen Partnerin in Deutschland und bemüht sich um einen deutschen Pass aus privaten und politischen Gründen. „Mund-Stück“ experimentiert mit dem Prozess der Anpassung; was bedeutet es, sich einer Kultur zu öffnen und diese in sich aufzunehmen, und wie kann dieser Prozess eben jener Kultur einen Spiegel vorhalten?
Vorstellungsdauer: ca. 65 Minuten
Pressestimmen
„Germany“. Rita Pauls und Ant Hampton haben einfach „Germany“ eingegeben in die Suchmaschine und geschaut, wohin die virtuelle Stecknadel fällt, um ihr dann ins hügelige Nirgendwo Thüringens zu folgen. Ausgangspunkt einer Reise durch Deutschland. „Irgendwo hin“ steht auf dem Schild, das sie an den Straßen hochhalten. Im Wagen stellen sie die immer gleiche Frage: Was müsste einmal öffentlich gesagt werden? (…)
Ausgangspunkt ist der Versuch, ein Land zu ergründen, dem sich die Performer verbunden fühlen, ohne die Sprache zu können. (…) Pauls und Hampton haben die Antworten ihrer Gegenüber aufgenommen und auswendig gelernt, um in eine authentische Sprache einzutauchen. Auf der Bühne imitieren sie Sprechrhythmus, Tonlage, Akzent. Den Inhalt verstehen sie kaum. Was zu Komik führt, wenn die beiden mit Worten wie „zwischenmenschlich“ kämpfen und zugleich mit kindlichem Ernst ihren Sprachvorbildern folgen. Vor allem aber entsteht dadurch ein spannender Verfremdungseffekt, wenn die Aussagen völlig unkommentiert und losgelöst von der Originalpersonen über die Bühne irrlichtern. (…) Eine charmante Sprechperformance, die dem Publikum eine weitere Ebene eröffnet. Was hat man selbst, was haben die vielen Interviewten miteinander gemeinsam, außer der Sprache und dem Symbol auf den Ausweispapieren? – Dimo Riess, Leipziger Volkszeitung (16. Februar 2019)
Eine Produktion von Ant Hampton und Rita Pauls in Koproduktion mit Schauspiel Leipzig, Theater Rampe Stuttgart, Künstlerhaus Mousonturm Frankfurt/Main, NFT – Netzwerk Freier Theater.